Jekaterinburg – einfach nur wunderbar!

Yekaterinburg – just wonderful!

3.10.19

Die Stunde der Wahrheit kam relativ rassig! Nachdem Sohnemann schon wieder fast genesen ist und ich meine Mutterinstinkte nicht mehr dazu verwenden konnte, standhaft zu leiden, zog ich mitten in der Nacht in ein Minizimmer ein. Es sei aber «very modest» versuchten sie mich, davon abzubringen. Aber ich wollte nur ein Bett in einem eigenen Zimmer. Das Zimmer war dann auch very modest, aber wie gewohnt hier in Russland, sauber und liebevoll hergerichtet. Und ich schlief wunderbar.

Es ist ja schon ein hoher Anspruch, zu glauben, in meinem Alter sei man fähig, von 100 auf 20 runterzukommen und dann auch noch mit dem Sohn, mit dem man seit 14 Jahren kein Zimmer mehr teilte, locker die Nacht verbringen zu können. Nun, Urs von Crystal Travel, vermittelt mir nun auf die Schnelle von Amerika aus den Kontakt zu seiner Kollegin in Zug, die uns noch 3 unbeschwerte Nächte garantieren wird. Im Zug ist das für mich kein Problem. Das Wiegenlied des Zuges ist so laut und rythmisch, da schlafe ich sehr gut.

Das Wetter ist herbstlich grau, das Frühstücksbuffet sehr vielfältig, auch wenn hier in Russland die Liebe zum Gast wohl in «mit viel Zucker» besteht, der Kaffee sogar sehr gut. Es ist anstrengend, ja, aber es ist wunderbar, sich täglich noch etwas mehr an Russland anzunähern. Ich weiss, in Westeuropa, zu dem ja Russland bis hierhin in Jekaterinburg auch gehören würde, würde man sie denn lassen, sieht man so viel Russophilie nicht gerne. Aber ich bin russophil, seit ich denken kann (was nicht bedeutet, dass ich alles gut finde, was in der Politik abgeht/abging, aber das geht mir in Westeuropa auch so) und ich wünschte mir, ein paar Leute mehr, könnten Russland auch als das sehen, was es bietet und nicht nur, wer es regiert. Ich glaube fast, die Welt wäre etwas friedlicher! Aber ich weiss, wie schwierig es ist. Obwohl ich schon verschiedene Male in Amerika war, so überlagert doch ein Präsident die Sicht aufs Land sehr. Nun, Urs ist ein totaler Amerika-Fan und so schlagen wir die Brücke zwischen hüben und drüben zumindest während unserer Reisen per WhatsApp und Blog.

21.00 h

Was für ein Tag heute: Herbstlich grau, Nieselregen, pure Freude! Wir schlenderten durch die bunten Alleen zur «Kirche auf dem Blut», die Kirche, die über dem Zimmer, wo die Zarenfamilie zum Familienfoto zusammen gerufen und dann hingerichtet worden ist. Es gibt viele Betrachtungsweisen dieser Tragödie, im Netflix-Film «der letzte Zar», mit Kommentaren von Historikern und Zeitgenossen, finde ich sehr gut und erklärt sehr viel.

Danach schlenderten wir weiter, dem Fluss Isset entlang, eine herrliche Stimmung. Auf dem Weg zum grössten und wichtigsten Platz «1905» fing es an, heftig zu regnen, aber auf dem Platz fand gerade eine friedliche Demonstration gegen Putin statt, die alten Zeiten verherrlichend. Enstsprechen alt (und in Russland ist man mit 60 schon sehr alt) waren die DemonstrantInnen. Danach überzeugten wir uns von der Sehnsucht Russlands, zu Europa zu gehören. Überall Europa-Bank, Europa-Passage, Europa-Dies-und-Das. Im Supermarkt – ich liebe Supermärkte im Ausland – schien es nicht, dass normale Bürger dort einkaufen, wir gaben auf jeden Fall 20 Fr. aus für Tee, Kaffee, Guetzli etc. Die Auslagen waren wunderbar und einladend, die Teesorten fast unbegrenzt.

Dass ich wieder nach Hause kam, war nur Dimis Aufmunterung zu verdanken, der mir immer wieder sagte, nach 3 Tagen Stadtwanderungen hätte sich das gelegt. Völlig kaputt kam ich im Restaurant an, im selben wie gestern, und dieses Mal war es noch besser! Gut zu wissen, dass wir auch in Novosibirsk und Irkutsk wieder auf so eines treffen. Die Karte ist riesig, wir werden sie nicht durchessen können! Die Drinks sind zuckersüss, wenn sie alkoholfrei sind – wieder die russische Liebe zum Gast!

Um 21.49 fährt uns die TransSib dann nach Novosibirsk. 20 Stunden lang. Ich freue mich!

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4.10.19

Was für ein Morgen in Sibririen! Nach einer ordentlichen Nacht im mit Franzosen vollen Zug – ergo wesentlich lauter und geschäftiger als auf der letzten Strecke – bin ich heute exakt zum Sonnenaufgang über Sibirien aufgewacht. Dimi geniesst das lange Ausschlafen und so tat ich es nach dem Sonnenaufgang auch und träumte von kleinen, plappernden Kindern, um dem Ton aus der Kabine neben uns ein Gesicht zu geben! Die TransSib ist nur für Touristen ein gewolltes Abenteuer, für Einheimische ist es ein Muss, wenn sie sich in Sibirien über längere Strecken bewegen müssen. Das Flugzeug ist viel zu teuer, die Bahn für sie eigentlich auch. Und so träumen sie von dieser Strecke wie Väterchen Viktor, der mich in Jekatarineburg mit glänzenden Augen anschaute und sagte, er sei erst in Moskau und Peterburg gewesen, mehr könne er sich mit der ganzen Familie nicht leisten. Vielleicht haben diese Träume und die vielen Erzählungen über den Bau der Bahn dazu beigetragen, dass die TransSib noch immer ein Mythos ist. Denn ob sich bei Fahrenden dritter Klasse auch ein Gefühl wie im Film einstellt – ich wage es zu bezweifeln. Da holt die Realität dann den Traum erbarmungslos ein. 2 junge Dänen, so leise, dass wir sie gar nicht wahrgenommen haben, bis ich in Barabinsk aussteigen konnte und eine vertraute Sprache auf dem Bahnsteig hörte, sie nahmen die 3. Klasse. Auf der gleichen Breite gab es da eine Reihe Hochbetten quer zur Fahrtrichtung und eine Reihe Hochbetten entlang der Fahrtrichtung. Ich wäre da nicht mal ohne Koffer im Minigang durchgekommen, geschweige denn mit Gepäck! 57 Leute waren im Wagen. Und da werden die netten, stillen, sauberen Russen schnell zur Plage – wie wohl auch die ohnehin nicht leisen Franzosen, Engländer, Deutschen, etc. Sie sind jetzt in einem 4er Abteil neben uns und weil wir, aus was für einem Grund auch immer, dauernd Essen geliefert erhalten, haben wir ihnen unser Essen abgegeben, weil wir ja dann in Novosibirsk aussteigen und «anständig» essen können!! Ich merke schon, mein Standard ist mittlerweile ziemlich abgehoben.

Langsam beginnt der Rücken, zu schmerzen. Ich sitze, ich schaue raus, ich erfreue mich dieser Landschaft, die mir einfach wie ein riesiges Gemälde erscheint und langweilig wird’s uns überhaupt nicht. Was brachte ich meinen Kindern immer bei: Langweilig wird es nur dummen Menschen, die andern wissen, etwas mit sich anzufangen (von der Grossmutter eines grössen italienischen Dichters). Gut, laufen wir in Städten so viel, man rostet wirklich ein im Gestell – nicht im Kopf, aber so ist es wohl auch besser!

24.00  h

So toll, das Hotel ist auch dieses Mal gleich vis-à-vis vom Bahnhof. Die gleiche Kette wie in Jekatarinburg. Ich bin sofort eingerichtet und geniesse die ausgiebige Dusche nach 36 Stunden! Danach assen wir, weil so spät, direkt im Hotel und es war wieder einmalig gut. Es ist wohl wie in Amerika: geht man in die richtigen Restaurants, ist’s meistens auch gut, auch wenn das Alltagsessen nicht so ganz meinem Geschmack entspricht!

Aber Vodka haben wir auf der ganzen Reise noch nicht getrunken, müssen wir schon noch nachholen!

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