Bob’s open house

Ich bin Bob vor sechs Jahren das erste Mal begegnet. Dan und er teilten sich damals einen Hausteil. Sie wohnten etwas abseits der kleinen Stadt Cottage Grove in Oregon USA.

Das Haus steht oben in einer grossen Waldlichtung; hinunter zum See breitet sich eine grosse Wiese aus.

Es ist vor allem Bobs Reich; es zeigt überall seine bunten Zeichen, und es ist ein “offenen Haus”.

Bekannte und Freunde kommen meist per Auto auf der Schotterstrasse angefahren.

Es erwartet sie kein grosser Empfang; der Willkommengruss zeigt sich in Bobs Antlitz, das sich allemal mit einem Strahlen überzieht, wenn er sein warmes “welcome here” sagt. Die Besucher bleiben entweder beim Eingang auf dem Schaukelstuhl sitzen, lassen sich auf der Terrasse mit Blick über die Wiese nieder oder machen es sich im Wohnraum gemütlich. Auch wenn niemand zu Hause ist, die Menschen verweilen, geniessen draussen die Geräusche der Natur, drinnen das indische Ambiente.

Wenn Bob anwesend ist, wird meistens nicht viel gesprochen. Man dreht sich einen “Joint”, der hin und her geht oder die Runde macht. Der Stoff stammt aus Bobs eigener Pflanzung; man weiss, woher er kommt und geniesst ihn doppelt. Er riecht so frisch wie die stolzen Pflanzen; für mich sind es grosse, duftende Zierpflanzen.

Auf seinen gelegentlichen Reisen nach Indien, Sri Lanka und Thailand macht Bob neue, meist wertvolle Bekanntschaften. Er besucht dort buddhistische Zentren, übt sich in Meditation und in Wissen über über das eigentliche Sein. Darüber braucht man mit ihm nicht zu sprechen, man spürt es ganz einfach. Bei Bob zu sein, erfordert keine anstrengenden Gespräche. Bei ihm darf man auch ruhig schweigen; so sass oft neben ihm in stillem Einverständnis.

Sein schönes Gesicht ist umrahmt von halblangen graublonden Haaren, von einem Bart samt Schnauz. Seine Augen strahlen Güte aus, für mich alle Güte der Welt.

Seine Kleidung an seinem dünnen Körper ist leicht und bunt, sein Gang inzwischen etwas gebeugt. Wenn er ein farbiges Tuch um seinen Kopf bindet, dann ist Festtag oder Sonntag.

Am Sonntag Vormittag bereitet er eine besondere Bowle für seine Freunde und Besucher zu, die er strahlend in bunten Gläsern anbietet. Er nennt das Getränk “Mimosa”, das dann genussvoll geschlürft wird. Meistens kündet er dann an, dass er am Nachmittag oder gegen den Abend segeln geht; dies bedeutet eine Einladung an die Anwesenden.

Eines seiner wenigen Besitztümer ist ein Segelschiff, ein ganz einfaches aus Holz. Er gleitet damit auf dem Dorena Lake von einem Ufer zum andern, hin und zurück, immer wieder. Auch hier wird nicht viel gesprochen; dadurch kann die Verbindug zu den zwei Elementen Luft und Wasser leichter hergestellt werden.

Einmal im Jahr erhält sein Schiff einen neuen Anstrich; Bob ist ein beherzter und begehrter Maler. Damit bessert er seine einfache Rente von vierhundert Dollars etwas auf. Grössere Aufträge sind ihm willkommen; er ladet dann die Leiter und alles Nötige auf sein altes Auto und kommt dann für ein paar Tage nicht nach Hause. Bei seinem Auftraggeber geniesst er dann bescheidene Kost und Logis.

Bob hat zwei wunderbare Töchter, Aviel und Serena. Zusammen mit der Mutter der längst erwachsenen Mädchen ist Bob früher oft nach Indien gereist, wo die Mädchen eine andere Lebenskultur kennenlernen konnten. Sie hatten kein herkömmliches Familienleben; die gelegentliche Enge einer ehelichen Verbindung liegt Bob nicht. Er sagt: “Die Menschen sind da, um geliebt zu werden, die Dinge, um gebraucht zu werden. Leider ist es umgekehrt”. Zudem meint er: “Zu viel Besitz ruft nach Verwaltung, das Leben aber ist Gestaltung”.

Er reist nur mit Handgepäck. Mehr brauche man nicht. Es behindere auf grösseren Reisen.

Einmal im Jahr lädt er ein zum grossen Treffen, zur “Country Fair”. Sie soll an den Beginn der Hippie-Zeit vor fünfzig Jahren erinnern. Das friedliche Fest sollte ein paar Tage dauern; einige Besucher bleiben aber zwei, drei Wochen. Sie kommen mit dem Zelt, mit Campern oder mit Fahrzeugen, die auch zum Schlafen geeignet sind. Die Wiese und die Umgebung wird dann täglich bunter. Bob kümmert sich nicht um Nahrung und Getränke; dieses wird reichlich mitgebracht. Es riecht dann nach Barbacue, nach Pizzas, nach gebratenem Fisch. Und die Bierdosen häufen sich.

Es soll das Fest der Freundschaften sein, der grenzübergreifenden. Die Welt hat es nötig!

Juli 2017