Der Sonntagsbaum

Der Sonntagsnachmittag gehört meistens mir allein. Vielleicht schreibe ich einen echten Briefe auf echtem weissem Papier, auf knitterbarem, verletzlichem. Ich stecke ihn in ein farbiges Couvert, setze die Adresse sorgfältig. Damit kann das Schriftstück seine kleine Reise antreten.

Der Empfänger, oder meistens eine Empfängerin, öffnet den Brief vielleicht ebenso sorgfältig, liest ihn ein-, zwei-, dreimal, freut sich darüber, da ein persönlicher Brief zu einer Seltenheit geworden ist.

Vielleicht sitze ich aber ganz einfach draussen in der Natur, an einen Baum gelehnt. Am Sonntag sehen die Bäume für mich anders aus, viel einladender, viel majestätischer. So kann es sein, dass ich mich hinlege und meinen Blick nach oben richte. Da gibt’s nur grün und blau, nur Baum und Himmel und manchmal ein paar vorbeiziehende Wolken.

Vielleicht streicht der Wind durch die Blätter. Es beginnt mit einem leises Zittern, wie eine feine Melodie, und kann zum Rauschen werden, wie in einem Orchester.

Es kann sein, dass dieser Baum seit hundert, zweihundert, dreihundert Jahren oder gar länger da steht …..als eine Selbstverständlichkeit. Das bringt auch mir mehr Gelassenheit.

Ich verstehe, dass immer mehr Menschen wünschen, dass nach ihrem Tod die Asche bei einem Baum beigesetzt wird. Sie haben verstanden, dass der Mensch als Teil der Natur bei einem Baum für immer gut aufgehoben sein wird.

Zum 70. Wiegenfest meiner treuen Freundin Breatrice van Dongen