Rund 20’000 km zu sich selbst

Die PANAMERICANA gilt als längste Strasse der Welt und – sie ist ein Mythos. Streng genommen existiert sie nicht als zusammenhängende Strecke. Fest stehen nur die Endpunkte: Alaska im Norden, Feuerland (Chile) im Süden. Der Weg ist nicht „zweifelsfrei“ festgeschrieben. In Nordamerika/USA ist die Strasse nicht als Panamericana gekennzeichnet, weshalb es unterschiedliche Auslegungen über den Verlauf der Route gibt. So lässt sich auch die Strecke kaum genauer beschreiben als mit «rund 20’000 Kilometer». Die Panamericana verbindet mindestens fünfzehn Länder und mehrere Vegetationszonen, wie zum Beispiel die Tropen nahe des Äquators mit dem Staat ECUADOR.

Die Strasse führt sowohl durch die entlegene Bergdörfer der Ureinwohner als auch durch übergrosse Städte wie zum Beispiel LIMA in PERU. Nicht nur das Gesicht der Landschaften ändert sich dabei, sondern auch das Aussehen und die Lebensart/die Kultur der Einwohnenden. Sobald man MEXICO, die fünf Staaten von ZENTRALAMERIKA und schliesslich das aufwändige Teilstück per Wasser oder Luft von PANAMA nach KOLUMBIEN hinter sich hat, reist man stets auf dem Erbe der kolonialen Vergangenheit. Oder weiter zurück in den versunkenen Kulturen, wie jene der MAYAS oder der INKAS. Hier die Ruinen, dort die einladenden PLAZAS in Städten und Dörfern, in Südamerika genannt „Plazas de Armas“. Sie laden zum Innehalten ein und werden meistens zur bunten Theaterkulisse. Es sind aber auch die Strecken dazwischen, die ihre Faszination ausmachen; zum Beispiel der Weg in PERU den Anden Hängen entlang, hinauf und hinunter, einmal nach hoch oben bis 4000 m.ü.M oder mehr, dann wieder nach unten zur Küstenstrasse. Oft tut sich eine seltsame Welt auf; so rollt im Westen der Pazifik auf weiße Strände zu, im Osten dehnt sich die Wüste aus mit Gestein, Geröll und Sand in allen Farben. Oft durchschneiden nur wenige grüne Täler die Ödnis auf mehr als 3’000 Kilometern, wie an den Küsten Perus.

Die gewaltige ATACAMA Wüste in CHILE stellt den Höhepunkt an bizarrer Einsamkeit dar, obwohl „la Autopista“ durchaus dem „modernen Vorwärtskommen“ entspricht. Erst nördlich der Stadt SANTIAGO DE CHILE entlässt die Wüste den Besucher aus ihrer „heissen Hand“. Die PANAMERICANA führt nun durch hügelige, grünere Landschaften und streift die Weinbaugebiete von Chile. Die Nationalparks auf chilenischer und auf argentinischer Seite malen ein Bilderbuchpanorama in den klaren Horizont: grandiose Berglandschaften mit dichten Wäldern, klaren Seen, stillen Bächen und donnernden Wasserfällen vor dem Hintergrund der scharf geschnittenen, schneebedeckten Gipfelketten der HOCHANDEN. Das ist das vielgepriesene PATAGONIEN. Umso krasser fällt der Unterschied auf, wo die Weiten der PAMPAS warten: ein scheinbar endloser Teppich aus büscheligem Gras, das sich in ewig wehenden Winden wiegt. So geht das bis zur MAGELLANSTRASSE, zum Wasserweg, der den PAZIFIK mit dem ATLANTIK verbindet und Südamerika von FEUERLAND trennt. Es ist eine riesige Meeresenge mit zahlreichen Inseln, Inselchen und Seitenarmen. Auf FEUERLAND werden auf dem Weg nach USHUAIA, der südlichsten Stadt der Welt, die Anden ein letztes Mal gestreift. Und es geht hinein in die lehmige Fahrspur mit ihren Laubwäldern, Seen und Mooren. Und man kommt der ANTARKTIS näher. Dort, wo das Land sich in felsigen Klippen und zahllosen Inselchen im Meer verliert, endet „DAS GROSSE ABENTEUER PANAMERICANA“. Und wenn man sich genügend Zeit nimmt und nicht touristischen Attraktionen nachjagt, kann die PANAMERICANA durchaus ein Weg zu sich selbst sein. Für die Partnerschaft ist es eine lohnende Herausforderung. Dan und ich haben uns dieser während dreieinhalb Monaten gestellt; es ist geglückt.

März 2020