Das Piemont für meine intalienische Seele

ASTI

Asti. das bekannteste Weinbaugebiet der nordwestitalienischen Region Piemont, ist ein Potpourri aus facettenreichen Weingärten, deren Traubenvielfalt viele landschaftliche Eindrücke entstehen lässt. Barbera, Dolcetto, Grignolino, Freisa und Muskateller zählen zu den Rebsorten, die die fruchtbaren Rebflächen rund um die Stadt. Besonders beliebt sind die sortenreinen Asti Rotweine der Barbera-Traube.

Man sollte sich Zeit nehmen, beim Spaziergang durch die Altstadt, der Citta Vecchia, den so berühmten Asti Wein zu kosten. Dann sieht und spürt man möglicherweise noch mehr von der grossen geschichtliche Vergangenheit, liest da und dort grosse Namen wie jenen von Vittorio Alfieri, dem der gleichnamige, lange Corso Alfieri gewidmet ist. Man guckt in so manchen Innenhof der herrschaftlichen Palazzis und sieht so manches architektonische Detail aus Blütezeiten.

Wir haben uns aber auch ausserhalb von Asti auf einem nicht wirklich touristischen Pfad bewegt, sind per Bahn in das zwei Stationen entfernte Baldichieri gefahren und von dort während ca. 2 1/2 Stunden nach Tigliole gewandert, auf einem leichten und gut markierten Aufstieg. Dort sind wir auf eine in der angenehm herbstlichen Jahreszeit schlafende kleine Stadt gestossen, mit einem stattlichen Rathaus, dem noblen Hotel Ca› Vittoria mit stilvoller Sonnenterrasse, wo uns der beste Espresso und dazu je ein weisser und gelber Grappa in hochstieligen Gläsern serviert wurde.

Früher wurde der gleichnamige Fluss Tiglione als Energiequelle für Mühlen und zur Bewässerung der Felder genutzt. An seinen Ufern ist nun die Installation, einer Art «grüner Autobahn» geplant, die aus 65 000 Bäumen bestehen wird. Was für ein ausserordentlich erfreuliches Projekt im Piemont!

TURIN

Das nahegelegene Turin, die „alte, stolze Dame“, war im 17. Jahrhundert Hauptstadt Italiens, was auf Schritt und Tritt zu spüren ist: endlose schmucke Palazzi und Piazzas mit kunstvollen Brunnen und Statuen, die auf Persönlichkeiten aus Kunst, Wissenschaft, Verteidigung und Politik hinweisen.

In unzähligen Kriegen versuchten damals europäische, auch kirchliche, Machthaber sich das wunderbare, hügelige Piemont „einzuverleiben“, was meistens gelang. So musste dieser wunderbare Landstrich Norditaliens seine Zugehörigkeit oft wechseln, nicht zuletzt wegen der fruchtbaren Erde, die eben diesen wunderbaren Wein hervorbringt.

Die inzwischen recht friedliche Stadt am Po, seiner damaligen Lebensader, lädt ein, über eine der Brücken hin und auf einer anderen zurück zu spazieren, dazwischen inne zu halten, um den vielen Sportruderern zuzusehen, die allein, zu zweit, zu viert, zu acht ihre Arm- und Beinmuskeln trainieren.

Bei der Piazza San Carlo stösst man wie in Asti auf eine Alfieri Residenz. Der 24-jährige Schriftsteller, der nach «Jahren des Reisens und Ausschweifens“ nach Italien zurückkehrte, bezog 1773 ein Haus auf dieser Piazza. Das Gebäude befindet sich über dem letzten Abschnitt der Arkaden vor der Kirche von San Carlo. Hier schrieb Alfieri seine ersten Tragödien. Vorher aber schrieb der Dichter aus Asti an einen Freund: «….. Versorge mich in Turin mit einem prächtigen Haus auf der schönen Piazza San Carlo und versorge es mit Geschmack. Ich habe mich darauf eingestellt, als Vergnügungssuchender zu leben …“

In diesem Haus gründete er mit seinen Kollegen eine kleine Gesellschaft, die sich wöchentlich traf, um zu schlemmen und über alles nachzudenken ! Wie gerne wäre ich da mindestens einmal dabei gewesen, mehr wohl um zu schlemmen, als all zu viel nachzudenken.

Aber man fühlt sich ohnehin wie im Jahr 1700 – mit Prinzessinnen, Königen und Pferden und und hat einen königlichen Blick über die Ria auf die Piazza Castello und die Piazza Carlo Felice.

Die Piazza San Carlo ist aber der wohl schönste Platz Turins, ist und war die Bühne für verschiedene historische und gesellschaftliche Ereignisse in der Stadt, darunter Wahlkämpfe, Arbeitskämpfe, Konzerte, Demonstrationen und Live-Fernsehen.

Und wenn man genug von diesen Plattformen der Geschichte hat, macht man einen Aufstieg an der Ostseite des Pos bis zum Parco Pubblico Villa Genero. Hier kann man etwas Abstand von der Stadt nehmen, ohne sie ganz aus den Augen zu verlieren.

Und noch ein paar „Stolpersteine“

„Die Geschichte der Shoah“ ist der Titel einer Initiative, die 2014 am Goethe-Institut Turin stattfand. Es ist ein Projekt, das die Installation der Stolpersteine durch den Künstler Gunter Demnig auch in Turin ermöglichte. Als erstes und einziges weit verbreitetes und gemeinsames Denkmal in Europa erscheinen die Steine als Betonwürfel, auf die kleine Messingschilder gegossen werden, die an die einzelnen Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Die Steine werden vor der Deportation auf den Bürgersteig vor dem letztbewohnten Haus der verschleppten und meistens ermordeten Menschen gelegt. Bis heute wurden rund 40’000 Stolpersteine in verschiedenen Städten Europas gelegt. Es lohnt sich, auf den Gehsteigen aufmerksam zu sein und bei den Schildern etwas inne zu halten.

Am leuchtend roten Bahnhof Porta Nuova, auf dem wir neugierig ankamen und zufrieden wieder abreisen, sagen wir „Ciao Bella“.