Neuanfang im Norden Thailands

Bei unserem Zwischenhalt in einem AKHA Dorf in Nordthailand bei den „hill tribes“, einem alten Volksstamm, kamen wir einmal mehr nicht um das Familienleben herum; wir schätzen es sehr, eine Zeit lang zu einer Gruppe zu gehören. So waren wir Gäste bei RAY (ehemals aus Australien, damals getroffen in den USA) und VATANJA, einer hübschen, gescheiten Akha Frau. Und wenn man bei diesem Volk wohnt, gehört selbstverständlich die ganze Familie dazu, das heisst die zwei Teenager von Vatanja, TOTO und TATA , ihre zwei Brüder, einer mit seinem kleinen vierjährigen Sohn SEASON (daneben hat er noch drei Kinder von zwei anderen Frauen) und natürlich auch die Mutter von Vatanja, deren Namen ich nicht aussprechen konnte.

Die Familie floh von China nach Myanmar und von dort über die Berge nach Thailand. Vatanja zählte damals zehn Jahre. Die Regierung teilt den Tribes Landstücke zum Bebauen zu, allerdings recht steile. So wanderte ich zusammen mit Vatanya in die prachtvollen Hügel, um die Mutter in ihren kargen Plantagen zu besuchen. Es wachsen dort vor allem Bananen, Ananas und Litchis; auch ein paar Kaffeesträucher guckten aus der trockenen Erde. Vatanja hatte einen grossen Rückenkorb mitgetragen, damit sie einige der Gaben nach Hause bringen konnte. Ihre Mutter verkauft in der 20 km entfernten Stadt FANG ihre Bananen, die dort „spottbillig“ oder in ihrem Garten direkt von den Sträuchern zu haben sind. Sie schmecken wunderbar süss.

Mama versteht die Thaisprache nicht und kann sich mit Menschen ausserhalb ihres Stammes kaum unterhalten. Ray liess im Akha Dorf ein grosses, solides, hübsches, farbiges Haus erstellen, wo jedes der Familienmitglieder ein Zimmer hat. Die Küche, wohl der wichtigste Teil des Hauses, ist modern und geräumig, ebenfalls der „Essbereich“ mit dem selbstverständlich grossen Tisch.

Viele Häuser der Akhas stehen aber noch auf Pfählen, haben ein riesiges Strohdach und keine Fenster. Da hier die Temperaturen in der Nacht oft auf Minusgrade sinken, muss es dort empfindlich kalt sein. Ich jedenfalls war am Morgen in unserem isolierten Gästehäuschen immer winterlich eingepackt, und auch Dan trug regelmässig seine Wollmütze. Tagsüber geht’s dann gerne auf 30 Grad.

Ray versorgt fünf Leute, inklusive seine 26jährige Tochter in Australien, die dieses Jahr den Uni-Abschluss machen sollte. Ich denke, dass er, der die ganze Welt kennt und damals mit einer Frau aus Lappland verheiratet war, hier in Thailand seinem Leben einen neuen Sinn geben konnte; er respektiert seine Vatanja sehr und pflegt auch einen liebenden Umgang mit den übrigen Familienmitgliedern.

Die zwei Teenager waren „so richtig im Saft“, das Mädchen machte Schwierigkeiten in der Schule und hing zu Hause dauernd an ihrem Handy und hörte die Musik der „süssen Boys aus Korea“. Beide Kinder sollten in diesem Jahr in ein Internat wechseln, wo sie dann nur alle paar Monate nach Hause können, falls TATA es überhaupt schafft, sich dort unterordnen zu können.

Für Dan und mich ergibt sich immer wieder die Gelegenheit, uns mit Männern zu unterhalten, die hier mit einer Frau aus Thailand zusammen leben. Wie bei Ray steckt meistens ein grosses Engagement dahinter, vor allem, wenn Kinder vorhanden sind. Wir vernehmen auch einiges über die Besitz-Verhältnisse; so kann ein Ausländer, ein “Farang”, keinen Boden besitzen. Auch ein erbautes Haus gehört seiner thailändischen Frau oder Partnerin. Sollte sie sterben, geht der Besitz nicht an den Partner; er kann allerdings das Wohnrecht vertraglich festlegen.

Der Lebensmittelpunkt der Menschen ist die erweiterte Familie. Es gibt kaum Altersheime. Zur Familie kehrt man auch zurück, wenn sich auswärts Probleme ergeben.

Das Zusammenleben allerdings ist sehr oft problembeladen, wie man uns erzählt: Ausnützung, Übervorteilung, Unehrlichkeit. Es kann vielleicht später wieder „gutgemacht“ werden, indem man einen Tempel oder eine Buddhafigur spendet. So war man in unserer Nähe gerade damit beschäftigt, einen überdimensionalen, liegenden Buddha zu bewerkstelligen.

Wichtiger aber sind die “Geisterhäuschen”. Diese stehen am Eingang einer Liegenschaft oder eines Hauses und sind hübsche kleine Tempel. Sie stehen auf einem Pfahl oder erhöhtem Sockel und sind mit menschlichen und tierischen Figuren, Kerzen, Blumen und Opfergaben bestückt. Um sicherzustellen, dass der Geist seinen Schrein nicht alsbald wieder verlässt, muss dieser kleine Bau attraktiver gestaltet sein als das Hauptgebäude. Dazu werden in oder vor dem Geisterhaus regelmässig Opfergaben deponiert. Die angeblichen Bewohner erhalten so häufig Wasser oder Erfrischungsgetränke, zu besonderen Anlässen auch Alkohol, wie zum Beispiel “Reiswein”.

Spätestens alle zwei Wochen werden den Geistern Obst, Reis, Süssigkeiten oder ähnliche Gaben gereicht. Man kann die Geister auch anrufen, um sie für die Erfüllung eines Wunsches zu bitten. Dabei sind zuvor Gaben zu entrichten.

Abendliche Wanderungen zu den meist prachtvollen Tempeln war für uns eine „Pilgerfahrt“ besonderer Art, oft nur durch sehr viele Treppenstufen zu schaffen. Diese Heiligtümer befinden sich meistens in bester Lage und bieten eine wunderbare Rundsicht. Und wenn Mönche in ihren safranfarbenen Kleidern dort wohnen, ist die Umgebung des Klosters alles „blitzeblank“; dies ist vor allem die Aufgabe vor allem der jungen Mönche, die oft versuchten, sich mit uns auf Englisch zu unterhalten.

Für viele junge Thailänder ist die Zeit im Kloster eine wichtige Phase auf ihrem Lebensweg; sie verbringen dort ein paar Wochen, Monate oder Jahre; spirituell ist das eine besondere Erfahrung, man gewinnt neue Einsichten, erweitert den eigenen Horizont – aber womöglich auch den Bauchumfang, da man von den Gläubigen „gefüttert“ wird.

Ihr Alltag wird vom Sammeln der Almosen bestimmt; sie sitzen mit ihren Edelstahlschalen auf den Strassen oder gehen von Haus zu Haus, wo sie von den Leuten mit Essen beschenkt werden; selbst haben sie kein Einkommen, um sich etwas zu kaufen.

Und die Gläubigen spenden, um ihr Karma aufzubessern. Milde Gaben für die Mönche lassen auf Glück und Belohnungen in der Zukunft hoffen.

Januar 2018